Mit der Transsib in die Mongolei und mit dem Jeep durch die Wüste Gobi

Ein Reisebericht von  Karl – Heinz  Zimmer
1992

Bahnhof von Erlian

Schon lange hatten wir uns vorgenommen, einmal mit der Transsibirischen Eisenbahn zu fahren. Jetzt endlich haben wir es geschafft. Wir, das sind die Katharina und der Karl-Heinz Zimmer aus Berlin.

Am Morgen des 29. August 1992 schulterten wir unsere Rucksäcke, nahmen unsere Taschen und die Video – Kamera, und ab ging es mit der U-Bahn und dem Bus zum Flughafen Schönefeld. In einer guten Stunde, so um 9:40 Uhr hatten wir das Flughafengelände erreicht. Wir waren dank der relativ schnellen Verbindung die ersten unserer Gruppe. Natürlich waren wir gespannt, wer da so alles mit uns reist. Rechts von uns saß ein Paar mit tollen Treckingrucksäcken. Die könnten eigentlich dazugehören. Dann kam ein einzelner Herr mit altem Koffer, und darüber hatte er seine Mus – Spritze geschnallt. Ich meine natürlich einen Regenschirm. Sicherlich als Vorsorge, falls es in der Bahn durchregnet.

Transsibirische Eisenbahn

Nun ein Ehepaar. Er schwitzte jetzt schon, ob der vielen Gepäckstücke. Alukoffer mit Aufklebern aus aller Welt.  Müssen ja schon allerhand rumgekommen sein. Zum Schluss, noch kurz vor dem Einchecken ein Ehepaar mit Koffer. Sie mit Brille und hochgeistigem Gesichtsausdruck.  Doch wer weiß schon, wie wir auf die anderen Mitreisenden gewirkt haben. Na und beinahe hätte ich unseren Reiseleiter, “ G a m b a “ unseren Mongolen, vergessen.  Sehr perfekt in der deutschen Sprache sammelte er seine Schäfchen ein, indem er mit einem Schild „Lernidee“, so heißt unser Reisebüro, herumlief. Wir waren also 9 Reisende, mit Gamba 10. Nun sage aber keiner etwas gegen die  „Aeroflot“.

Ein ganz neuer Vogel erwartete uns auf dem Rollfeld. Ein Airbus A 310, einen Monat alt. Während des Fluges nach Moskau wurden wir mit einem umfangreichen Fernsehprogramm berieselt. Pünktlich landete die Maschine auf dem Moskauer Flughafen, und „Galina“ von  „Intourist“ wartete schon mit dem Bus zur Fahrt ins Hotel „Ismailowa“.  Kaum waren unsere Gepäckstücke im Zimmer, einmal kurz die Vorderfüße gewaschen, trabten wir schon zum Abendbrot ins Hotelrestaurant. Als Vorspeise blinzelte uns eine Ölsardine vom Teller zu, so als wollte sie sagen, nimm Brot und Butter und etwas Salat dann werde ich dir schon schmecken. Geschnetzeltes mit Kartoffeln bildete das Hauptgericht. Dann durften wir ausströmen. Erst einmal zum Flohmarkt. Er war nicht weit von unserem Hotel entfernt. Es war sehr beeindruckend, was dort alles verkauft und verhökert wird, nur um ein paar Rubel zu bekommen. Dann fuhren wir mit der Metro in die Innenstadt. Von der Station Ismailowskaja zur Station Arbatskaja. Die Moskauer Metro ist schon sehenswert. Man kauft übrigens für einen Rubel einen Chip, wirft ihn in einen Schacht und die Sperre öffnet sich. Man kann nun das ganze Netz befahren. Hat man es aber verlassen, muss man einen neuen Chip kaufen. Nun standen wir auf der Uliza Arbat. Emsiges Treiben, vor allem junger Menschen, empfing uns hier. Verkaufsstände wechselten sich mit Musikgruppen oder einzelnen Interpreten ab. Spät kamen wir in unser Hotel zurück.

30. August  1992

MoskauNun endlich wurde unsere Neugier auf Moskau, auf den Kreml gestillt.  „Galina“  wartete mit dem Bus vor der Hotelhalle, und nach dem Frühstück rollten wir zur großen Besichtigungstour. Der Kreml ist natürlich ein imposanter Fleck in dieser großen Stadt. Es reihte sich jetzt eine Sehenswürdigkeit an die andere. Basilius-Kathedrale, Bolschoi-Theater, Leninhügel mit der Lomonossow – Universität und und und.

Mittag gab es heute in einem Dänischen Restaurant. Ich glaube es heißt „Danone“. Kaffee im  „Metropol“ – ganz vornehm und pompös aber aus eigener Tasche mit mitgebrachten US-$ und Abendessen wieder im nun schon vertrauten „Ismailowa“. Hühnchen mit Reis.
Endlich war der Zeitpunkt gekommen, an dem wir zu unserer großen Abenteuerreise aufbrechen konnten. Vorher gab uns „Galina“ noch ihre Anschrift, und wir versprachen ihr ein Päckchen zu schicken. Der Bus stand bereit, und der Fahrer führte uns zum  Jaroslawer Bahnhof. Hier wartete unser Ungetüm von einem Zug und lud uns zur Reise über fünf Nächte und vier Tage ein.

KremlDas erste Abenteuer, im wahrsten Sinne des Wortes bahnte sich an. 1. Klasse, so wie wir gebucht hatten, gab es nicht. Also nach langen Diskussionen zwischen Galina und Gamba, 4-Bettabteil mit zwei Personen belegt. Kaum hatte jeder seine Koje gefunden, setzte großes Geschrei ein: “ Meine Tasche hat man geklaut, meine Tasche hat man geklaut, Scheiße „!  Es war Gamba, der uns vorher noch eingeschärft hatte, ja auf unsere Sachen bei Belegung unseres Abteils zu achten. Ein Laptop, der für die Niederlassung von Lernidee in Ulan-Bator bestimmt war, hatte seinen Weg zum Schwarzen Markt gefunden. Ich habe noch nachzutragen, dass ab Moskau zur Stadtrundfahrt am Sonntag noch zwei weitere Reisende zu unserer Gruppe stießen.  Ein ziemlich beleibter Herr mit fränkischem Dialekt und eine junge sich stets zurückhaltende Dame, aber mit Mut zu dieser Reise. Schließlich musste sie sich im Zug ein Vierbettabteil mit drei Männern teilen. Sie kamen von München über Wien nach Moskau. Wir sind also mit Gamba jetzt 12 Personen. Die erste Nacht haben wir, nach dem die Bettlaken, Bezüge und Kopfkissen von unserer Zugbegleiterin verteilt wurden, und wir unsere Betten gebaut haben wie bei den Soldaten, mehr oder weniger geschlafen. Ich meine eher weniger. Der Zug schaukelte auf seinem ausgetretenen Gleisbett hin und her. In jeder Kurve waren mal die Beine oben und ein anderes Mal der Kopf.

Moskau Kathedrale

Moskauer Transsibirische Eisenbahn

31. August 1992

Unser erstes Frühstück im  „Restaurant-Waggon“.  Der Gang dorthin war erst einmal durch fünf Waggons, vorbei an Russen und Mongolen, gekrönt. Da wir diesen Gang aber fünfmal am Tag machten, kannte man sich am 2. Tag schon sehr gut, und die ersten Kontakte wurden geknüpft. Also unser erstes Frühstück bestand aus Schwarzbrot, Käse, Salat, aus grünen Gurken und Tomaten und heißen Würstchen. Also so rosa wie unsere schauten die nicht aus. Sie waren schon lange nicht an die frische Luft gekommen. Zu trinken gab es Kaffe.  Ja, ja richtig gelesen, Kaffe. Im Laufe des Vormittags erreichten wir Kirow. Der Zug hatte 15 Minuten Aufenthalt, und jeder stürzte gleich auf den Bahnsteig, um sich einmal die Füße zu vertreten und zum anderen, um zu schauen was es zu sehen gibt. Natürlich hatten wir vorgesorgt und Kugelschreiber, Aufkleber und andere kleine Geschenke mitgenommen. Hier wurden wir schnell etwas los, und als Gegengabe überreichte man uns kleine Anstecknadeln mit dem Wappen von Kirow. Die Lok ließ ihr kurzes Pfeifen ertönen und weiter ging es Richtung Osten.

Mittagessen ! Wanderung durch die Waggons wie gehabt. Immerhin brachten wir es durch die täglichen Mahlzeiten auf einen Kilometer pro Tag. Es gab: Geschnetzeltes mit Bratkartoffeln, (aber nicht wie bei Muttern) Salat und Apfelsaft. Mehr Saft!  Weiter ging es. Um 16:oo Uhr lebten wir fürstlich. Gamba spendierte Kaffee von Lernidee. Löslicher Eduscho, dazu Prinzenrolle. Aber nur ein Stück, es sollte ja bis Ulan-Bator reichen. Dann wieder im Gang stehen und  gucken, gucken, gucken. Hier war der beste Platz, um Kontakte zu seinen Mitreisenden zu knüpfen. Kontakte mit dem Ehepaar Maier   ( den Weitgereisten ) zum Beispiel.
Abendbrot ! Fisch mit Reis, Salat aus grüner Gurke und Tomate, dazuden nun schon obligatorischen Apfelsaft. Aber heute leisteten wir uns ein Bier. Österreichisches Büchsenbier für 120,– Rubel. 136,– Rubel entsprechen  1,– DM. So war jedenfalls der Kurs in Moskau. Für 10,– DM gab es 1.360,– Rubel. Fanta und Sprite kosteten  110,– Rubel.

Während des Essens erreichten wir Perm. Früher hieß der Ort Molotow. Aber wir sahen nicht viel davon, denn es regnete, blitzte und donnerte unaufhörlich. Dafür konnten wir jetzt Herrn und Frau Ducke, die bisher noch nicht erwähnt waren, mit denen wir im „Speisewagen“ meist an einem Tisch saßen, besser kennen lernen.

1. September 1992

TranssibHeute Nacht haben wir den Ural überquert, den Kontinent gewechselt und total verpennt. Es wäre aber sowieso nichts sehenswert gewesen. Dafür fielen wir aber aus dem Schlaf, als die Lok wieder einmal wechselte. Übrigens schon das 3. Mal. Das passiert so alle 800 Kilometer. Wir waren in Swerdlowsk, jetzt wieder Jekaterinenburg. Langsam setzte sich unser Gefährt wieder in Gang, und wir versuchten wieder einzuschlafen. Heute zum Frühstück, Tee Brot, Butter, eine gebratene Scheibe Wurst mit grünen Erbsen und Tomate. Unser Abteilnachbar Herr Schwarz, das ist übrigens der füllige Herr, sowohl in der Stimme als auch in der Figur, ein Organisator durch und durch, hatte heute Nacht auf dem Bahnhof Swerdlowsk ein gebratenes Huhn und einen Liter Wodka erstanden. Das Frühstück wurde dadurch zum Festessen. 11 Touristen stürzten sich auf einen Gummiadler, während draußen eine herrliche Landschaft mit unendlichen Wäldern und Wiesen vorbei zog. Auch die Temperatur wurde, je weiter wir nach Osten kamen, merklich kühler, und die Wolken hingen drohend über der Weite des Landes.

Auf der Transsibirischen Eisenbahn12:oo Uhr. Halt in Tjumen. Wieder Lokwechsel und Nachbar Schwarz war schon wieder auf Souvenirjagd. Dieses Mal kam er mit einem großen Poster „Ahnentafel der Romanows“ zurück. Er will mir hiervon eine Fotokopie in Deutschland machen lassen und sie mir zuschicken. Ob er die Romanows heil nach München bekommt? Um 13:oo Uhr wie gehabt Mittagessen. Jeden Tag zum Essen haben wir unsere Uhr eine Stunde zurückgestellt. Unsere Tage haben damit nur 23 Stunden. Gamba hat uns aber versprochen, wir würden die verlorene Stunde beim Rückflug wiederbekommen. Heute gab es Rindfleisch mit geschmortem Kapusta, (Kohl) dazu kalte Kartoffelstückchen. Brot, Butter und Apfelsaft. Nach dem Mahl spendierte Gamba Galamischung aus dem Glas. Eine große Brücke, über die wir hinweg ratterten, zog uns sofort wieder an unsere Fensterplätze. Wir überquerten den Irtysch und Omsk lag rechts und links der Bahn. 15 Minuten Aufenthalt.

Transsib-ZugUnsere Köche haben heute während des Haltens Pilze gekauft. Zum Abendbrot gibt es gebratene Pilze. Wetten über die Überlebensdauer eines jeden von uns wurden abgeschlossen.
Draußen in der Landschaft steht einsam ein Gefährt. Also muss bestimmt eine Ansiedlung in der Nähe sein. Und ehe wir es uns versehen, ziehen ein paar bunte geduckte Holzhäuser vorbei. Dahinter wieder weite Flächen mit abgebrochenen Birken. Es ragen nur noch die Stümpfe mit dürren Ästen aus dem endlosen grünen Gebiet heraus. Ein imposanter Kontrast zwischen dem Grün der Landschaft und dem Weiß der Birkenstämme. Dann wieder Büsche, die uns die Sicht nehmen. Wieder ein Dorf. Die einzigen Lebewesen die wir erblicken können, sind ein paar Gänse, die über die schwarze aufgeweichte Dorfstraße nach Hause ziehen. Hier und da ist auch eine Kuh angepflockt. Das größte Kapital der hier lebenden Menschen. Es ist kalt und regnerisch heute.

Larissa“, ich weiß nicht ob sie so heißt, hat heute unseren Waggon und unser Abteil gereinigt. Vielleicht trugen die Strümpfe, die wir ihr schenkten, dazu bei. Es ist jetzt  kurz vor 21:oo Uhr und wir leben noch. Die Pilze aus Omsk schienen alle in Ordnung gewesen zu sein. Gamba gab noch einen Wodka aus, und wir heckten eine neue Gaudi aus.  Heute Nacht müssen wir Bergfest feiern. Aber womit und wo ? Unser einstimmig gewählter Organisator dafür, wird es sicherlich schwer haben etwas auf die Beine zu stellen. Man kann ja nicht immer nur Wodka trinken. So um Mitternacht sollen wir Nowosibirsk erreichen und den Ob überqueren. Vielleicht werden wir wach. Auch unsere 2. Zugbegleiterin „Olga“, wieder ein erfundener Name von mir, erhielt ebenfalls noch ein paar Strümpfe und dazu Hustenpillen. Sie kann kaum noch sprechen, so erkältet ist sie.

2. September 1992

0 oo Uhr Nowosibirsk ist erreicht und alle waren wir auf den Beinen. Herr Schwarz war schon unterwegs um etwas zu organisieren. Irgendeiner sagte: „auf in den Restaurantwaggon, Schwarz scheint etwas zu haben.“ Er hatte die Küchenmannschaft am Abend vorher eingeweiht und es gab Bier, Wodka und Würstchen. Unser Bergfest zog sich unter viel Gelächter bis um 3:oo Uhr morgens dahin. Draußen war es lausig kalt. Um  6:oo Uhr wurde ich wach und ging zum Waschen. Eigentlich war ich noch hundemüde, aber es ist dann die beste Zeit. 18 Personen auf ein „Badezimmer“ von 1 qm, bestückt mit einem Klo und einem Waschbecken von der Größe einer Suppenschüssel, für Männlein und Weiblein, da ist der Andrang um  8 oo Uhr groß und der Drang noch größer. Heute gab es zum Frühstück gebratene Boulette aus Hammelfleisch mit Kartoffeln und Kraut, neben Käse, Brot und Tee. Mittags haben wir Krasnojarsk erreicht und den Fluss Jenissej überquert. Wir saßen gerade im „Speisewagen“ und löffelten Pilzsuppe mit Kartoffelstückchen. Hauptmenü: „Züricher Geschnetzeltes“ mit Reis. Ein Glück, dass wir keine Schweizer in unserem Zug hatten. Und als Salat gab es heute mal Tomate mit Gurke, statt sonst Gurke mit Tomate. Und dann endlich für 40 Minuten ein kleines Schläfchen, während der Zug durch die Taiga ratterte.

Vorher wurde in Krasnojarsk wieder einmal die Lok gewechselt. Um 16:oo Uhr wurden wir von Gamba gebildet. Er klärte uns über die Bauweise und den Zweck der Jurten auf. Begleitet wurde diese Lektion mit einer Tasse Nescafe und einer Prinzenrolle.

Heute Abend der erste Zoff zwischen Reiseleitung und Gruppe. Sechs unserer Truppe hatten Gambas Anordnung nicht befolgt, und die Uhr einfach wieder eine Stunde zurückgestellt. Dadurch waren wir nicht zum Abendbrot um  19:oo Uhr erschienen, denn unsere Uhren waren erst 18:oo Uhr. Um halb acht kam Gamba wutentbrannt und machte unseren „Organisator“ zur Schnecke. Er wäre der Reiseleiter und kein anderer. Na ja, entschuldigen wir es mit seinem Alter. Die Würstchen, 3 Stück an der Zahl, warteten schon seit einer halben Stunde auf unseren Tellern. Auch sie sahen uns nicht gerade sehr freundlich an. Schließlich wurde ihnen ja auf den Tellern kalt. Dazu gab es Kraut. Jedoch selten ein Schaden ohne Nutzen.

Die Stimmung in der Truppe war auf einem Tiefpunkt angelangt, und so kamen wir heute das erste Mal um  22:30 Uhr schlafen.

3. September 1992

Heute Morgen habe ich mit Gamba gesprochen und ihn auf sein Fehlverhalten aufmerksam gemacht. Ein freundlicher Hinweis von ihm hätte genügt, und wir wären sofort gekommen. Er sah es ein und der Missklang war wieder ausgeräumt. Um 7:30 Uhr erreichten wir Irkutsk, die größte Stadt in Sibirien. Hier werden wir auch beim Rückflug zwischenlanden. Zum Frühstück heute gebratene Wurstscheiben mit Quetschkartoffeln und Kraut. Dazu wie üblich Brot und Käse. Beim gestrigen Halt in Krasnojarsk habe ich auf dem Bahnhof 2 Brötchen gekauft. Die gab es heute, und es war wie ein Festschmaus. Der Baikalsee ist erreicht, und unsere Fahrt führte uns um den Südzipfel des Sees herum. Ein herrlicher Ausblick bot sich uns auf diesen tiefsten Binnensee der Erde, auf das sibirische Meer. In Sljudjanka am Baikal haben wir uns bei einem 15 minütigen Aufenthalt schnell ein paar Mohrrüben von russischen Bäuerinnen erstanden, ein Ring Brot, ziemlich hell im Teig und eine Zeitungstüte voll Himbeeren.
Nächstes Ziel Ulan-Ude. Heute Mittag Krautsalat, Reis mit Gulasch und die vorletzte Büchse Bier. Nach dem Essen hatten wir unseren ersten Besuch in unserem Abteil. Zwei Mongolinnen setzten sich zu uns, und Katharina übte mit ihnen die deutschen Zahlen von 1 bis 10. Wir wurden zu einem Besuch in Ulan-Bator eingeladen, aber daraus wird wohl nichts werden. Herr Harms, das ist der Mann mit der Mus – Spritze auf dem Koffer, setzte sich dann zu uns und wir haben erzählt und erzählt. Er ist Dipl. Agronom und kommt aus Jade, hat sich aber jetzt zur Ruhe gesetzt und seinen Hof bearbeiten seine Söhne. Draußen begleitete uns jetzt eine hüglige Landschaft. Einzelne Bäume standen auf den Bergkuppen und sahen von weitem wie Indianer aus, die sich von oben auf die Bleichgesichter stürzen. Immer näher kommt die Grenze zur Mongolei. Heute bereitet unsere Restaurant-Crew unsere Henkersmahlzeit. Es gibt Wurstsalat mit Kartoffelstücken, geschmorte Pilze und Kartoffeln. Mit einem Wodka verabschiedeten sich das Restaurant-Personal und wir uns von ihnen mit einem großzügigen Trinkgeld. Ab Grenze sind wir ohne sie. Sie bleiben in Russland und kommen nicht mit in die Mongolei. Der Waggon wird abgekoppelt. Heute Nacht werden wir die Grenze erreichen und die langwierigen Grenzkontrollen über uns ergehen lassen müssen. Wir werden sehen. Geschlafen haben wir bis jetzt so gut wie nicht.

4. September 1992

Es ist 0:3o Uhr, der Zug steht. Nun geht es los. Pässe abgeben, Zollerklärungen ausfüllen und abgeben. Eine Stunde saßen wir auf unseren Pritschen und warteten. Lautes Sprechen im Kommandoton kündete an, jetzt geht es weiter. Die Abteile wurden kontrolliert und die Böden und Decken abgeklopft. Auf den Dächern der Waggons lief ein Grenzsoldat entlang um zu sehen, ob sich ja nicht einer auf diese Weise aus dem Staub machen, sprich: das Land verlassen will. Dann wurden wir kontrolliert. Aber das ging relativ schnell. Auch unser Gepäck wurde nicht angetastet. Auf dem Bahnhof standen vor jedem Waggoneingang Soldaten mit geschulterten Kalaschnikows bis die Zeremonie vorbei war. Dann fuhr unser Zug ein Stück weiter, nächster Halt. Die Mongolen kamen. Dasselbe Spiel begann von vorn. Pässe, Zollerklärung usw. usw. Nur es dauerte diesmal nicht ganz so lange. Um 3:oo Uhr waren wir endlich in  unserem Schlafsack. 7:oo Uhr, schon wieder wach, denn nun durchquerten wir mongolisches Land und jeder war darauf gespannt. Die ersten Jurten wurden mit schlaftrunkenen Augen entdeckt und ein paar Reiter, die durch die karge Landschaft zogen. Frühstück fiel heute wegen fehlender Küchenmannschaft aus. Sie blieb ja an der Grenze zurück.
Aber um 10:oo Uhr fuhren wir auf dem Bahnhof in Ulan-Bator ein.

Mongolei„Tula“, ab jetzt unsere Dolmetscherin für die Mongolei erwartete uns schon mit einem Bus vor der Bahnstation, und in rascher Fahrt ging es zu unserem Hotel „Bayangol“. Um 12:oo Uhr waren wir auf unserem Zimmer im 10. Stock  und genossen nicht nur den schönen Blick auf die Stadt, sondern auch den Komfort des Hauses. Erst einmal unter die Dusche, denn seit Moskau haben wir uns ja immer nur in einem kleinen Spucknapf des Zuges waschen können. Zum Essen wurden wir in den großen Speisesaal gebeten. Mit Eiersalat und Brot, Hammelgeschnetzeltes mit Reis und Kuchen als Nachtisch wurden wir bewirtet. Auch hier gab es gegen US-$ Bier, Limonade und Schnaps. Viel Zeit jedoch war nicht. Um 14:oo Uhr stand der Bus vor dem Hotel, und wir fuhren hinaus aufs Land ins ca. 60 KM entfernte Terzel.

Eine Landschaft, die sich mit unseren Mittelgebirgen vergleichen kann, nur dass hier das Edelweiß wie Unkraut wächst und auch so gesehen wird. Ein erster Besuch in einer Jurte war hier Pflicht. Nachdem uns Tula erklärt hat was wir zu tun haben, stiefelten wir los und wurden auch freundlich von zwei Frauen in ihrer Jurte willkommen geheißen. Sie schenkten uns Tee ein und gaben uns von ihren gebackenen Teigwaren etwas zu kosten. Wir kauften ihnen dafür ein Bild für 5 US-$ ab.
Abendbrot war zu 19:oo Uhr angesagt. Krautsalat, Boulette aus Hammelfleisch mit einem Spiegelei und Kartoffeln sowie Quarkspeise erwarteten uns. Nach langen Gesprächen über die Eindrücke des Tages gingen wir um 22:3o Uhr schlafen. Hier übrigens wartete auf uns ein Paar aus München, das direkt über Wien nach Ulan-Bator geflogen war und ab jetzt bis zum Ende unserer Reise unsere Weggefährten sein sollten:  Frau Springer und Herr Hehl. Haben wir aber auch erst später erfahren. Hier hätte Gambia die neuen Leute einmal vorstellen sollen. Na beim nächsten Mal wird er es bestimmt machen, schließlich waren wir seine erste Gruppe, die er allein führte.

5. September 1992

Garang-Kloster8:oo Uhr Frühstück. Kuchenbrötchen mit Marmelade, gebratene Scheiben Wurst mit Spiegelei. Brot war jedoch alle. Was soll es, in der Not isst man die Wurst eben ohne Brot. Vormittag besuchten wir das Garang-Kloster und einige Museen. Frau Demmler, unsere allein reisende junge Dame, hatte hier alle Hände voll zu tun, um all die Kostbarkeiten auf ihre Filme zu bringen.

Bis 13:oo Uhr hatten wir dann frei, und wir machten uns auf den Weg ins Kaufhaus. Herr Jäger und Frau Eckstein, die beiden mit den Treckingrucksäcken, schlossen sich uns an. Es war sehr beeindruckend. Ein Prachtbau ohne viele Angebote. Im 3. Stockwerk gab es gegen US-$ das zu kaufen, was man in den übrigen Etagen nicht zu Gesicht bekam. Arme Mongolei.

Sie ist so sehr auf Devisen angewiesen, zumal Russland seine Öllieferungen nur noch gegen harte Währungen vornimmt. Mittags waren wir wieder im Hotelrestaurant vereint und es gab Krautsalat mit kaltem Rindfleisch und Tomate, Suppe mit Kartoffeln und Fleischbällchen, gebratenes

MongoleiHammelhackschnitzel mit Kartoffeln und als Nachtisch eine Obstschnitte. Nachmittags war der Besuch eines Freilandmuseum mit alten Tempeln angesetzt. Außerdem führte uns eine Fahrt auf einen Hügel, auf dem man zu Ehren des russischen Generals Schiwkow, der die Mongolen im 2. Weltkrieg von den Japanern befreite, ein Denkmal errichtet hat. Hier auf diesem Hügel hat man den schönsten Blick über die Hauptstadt mit seinen 500 000 Einwohnern. Die ganze Mongolei hat nur 2 Millionen und ist fünfmal so groß wie Deutschland.  „Saukalt“ meinte Tula als wir hier oben standen, und es fing tatsächlich an zu schneien. In Moskau hatten wir noch 35 Grad Wärme.

Wir waren froh als wir anschließend zu einer Folkloreveranstaltung gingen, wurde uns doch dort wieder schön warm. Vorführungen und Gesänge zeigten uns eine für uns fremde Welt.

Hammel war wieder zum Abendbrot angesagt. Diesmal geschnetzelt mit Kartoffeln, Krautsalat mit Brot und Kuchenrolle. Es war der letzte Tag unserer Gruppe. Alle flogen am nächsten Morgen um 7:oo Uhr von Ulan-Bator nach Moskau und dann nach Berlin bzw. München über Wien, bis auf unsere  „Neuen“,  zurück. Bis um 23:3o Uhr haben wir mit Herrn Harms noch auf dem Zimmer geklönt.

Mongolische Kinder

6. September 1992

Heute haben wir uns einmal ausgeschlafen. Um 9:oo Uhr zum Frühstück mit unseren neuen Begleitern, „Irene“ und „Werner“.

Rührei mit Brot und ein Brötchen mit Butter und Marmelade standen auf unserem Speisezettel. Um 10:oo Uhr stand der Bus bereit, obwohl wir nur noch vier Personen waren, um uns in ein nahegelegenes Museumsdorf zu fahren. Alte Klöster, die in ihrem Inneren reiche Schätze bargen. Nach dem Mittagessen, es gab Rindfleisch mit Kraut, danach Borschtschsuppe, Pommes frites mit Hammelrolle und Kraut und zum Nachtisch Obst mit Sahneschaum -hört sich aber besser an, als es geschmeckt hat- hatten wir frei.

Tula und Gamba fuhren nach Haus, und wir machten uns auf unserem Zimmer lang. Bis 17:oo Uhr haben wir geschlafen, dann unsere Taschen gepackt und um 19:oo Uhr zum Abendbrot marschiert. Wir hatten sowieso nichts versäumt, denn draußen war ein scheußliches Wetter, kalt und regnerisch. Hammelgulasch mit Kartoffeln und Kraut und Tomate gab es heute Abend. Bei einem guten Bier aus Germany und einem guten Wodka aus der Mongolei ließen wir, Tula, Gamba und die Münchner den Tag ausklingen.

7. September 1992

Endlich ging es los zur großen Fahrt durch die Gobi. Nach dem Frühstück, wieder mit Kuchenbrötchen und Marmelade, Rührei mit Brot und Tee, standen unsere beiden Jeeps schon vor dem Hotel. Wir waren 9 Personen, vier Deutsche und fünf Mongolen. Tula mit ihrem Freund Bold, Gamba und unsere Fahrer Bataa und Miga. Bataa war für uns auserwählt und Miga chauffierte Irene und Werner, unsere beiden Münchner. Gamba saß bei uns im Jeep und die Fahrt nach Khujirt begann.  Zuerst ging es ja noch eine einigermaßen geteerte Straße entlang, obwohl auch die Schlagloch an Schlagloch hatte.

Wüste GobiWir wurden so richtig durchgeschüttelt. Plötzlich bogen wir nach links ab und quer ging es jetzt über Feldwege oder ausgefahrenen Spurrinnen. Und das so mit 60 KM die Stunde. Wie schön war doch die ausgeschlackerte Teerstraße. Aber durch die Vielzahl der Tiere, die wir jetzt zu sehen bekamen, wurden wir entschädigt. Habichte, Mäuse, Erdhörnchen, Murmeltiere, Graureiher, Wildschwäne, Kraniche, schwarze Geier, Kamele und Yaks. Es war ein nicht beschreibliches Gefühl.

Jeder unserer Jeeps zog eine lange Staubfahne hinter sich her, und unsere Fahrer hatten den Ehrgeiz jeweils der erste zu sein. Das römische Wagenrennen hätte auch nicht besser sein können. Irgendwo auf freier Strecke war Mittagspause an einem Schamanenhügel. Jeder von uns trug sein Scherflein dazu bei den Hügel zu erhalten, indem auch wir einen Stein den Göttern opferten. So ein Hügel hat auch noch einen praktischen Zweck: erstens bleibt der Steinhaufen erhalten und zweitens kann man an der Größe der Warte erkennen, ob der Weg viel benutzt wird. Die Hauptwege sind mit sehr hohen Steinwarten gekennzeichnet, und die weniger wichtigen durch wesentlich kleinere. Ein preiswerter Ersatz für die bei uns üblichen Verkehrsschilder. Und wenn man neben einem solchen Steinhaufen steht, kann man sich vorstellen, dass im Laufe der Jahrhunderte Karawanen an diesen Stellen, so wie wir heute, haltgemacht haben und den Blick über die unendlichen Steppen schweifen ließen. Auch für die Fremden damals, muss es wie für uns heute, ein grandioses Schauspiel gewesen sein, wie die Steppe ihre Farbe wechselt und wie das Sonnenlicht und die unsteten Wolkenformationen über sie hingleiten.

GobiTula hatte für jeden vom Hotel ein Lunchpaket besorgt. Fleisch, Kartoffeln, eine Tomate, ein gekochtes Ei, alles in einem Bogen Papier. Gegessen wurde mit den Fingern. Verbrühen konnten wir uns ohnehin nicht, denn es war alles kalt. Tula brachte noch einen Kaffee zum Vorschein, der Tote hätte aufwecken können.

Doch ohne einen Schluck aus der Wodkaflasche, ging es auch hier nicht. Eine Flasche wurde bereits am Vormittag bei einem Halt geleert. Natürlich bekamen auch die Fahrer einen kräftigen Schluck, um die Schlaglöcher leichter nehmen zu können.
Aber auch dieser Tag ging zu Ende und um 18:oo Uhr langten wir im Camp-Khujirt an. Wir beiden Paare bekamen jeder eine Jurte zugewiesen und schon gab es Abendbrot. Reis mit grüner Gurke, Kraut, Fleisch und Kartoffeln.

Ein mongolischer Platzarbeiter schleppte einen Arm voller Holzkloben herbei und machte in unserer Jurte ein Feuerchen an. Wir konnten es aber auch gebrauchen. Die Temperatur sank sehr schnell  unter den Gefrierpunkt. Unsere Fahrer, Tula und Gamba, Bold und unsere Münchner feuerten etwas anderes ein. Sie saßen draußen und sangen mit den Hunden, die im Lager herum strolchten, um die Wette. Dabei wurde so mancher Flasche Wodka der Garaus gemacht. Es soll so bis 3:oo Uhr morgens gegangen sein.

Gobi Mongolei

8. September 1992

Es war eine saukalte Nacht. Obwohl wir in einem Bett geschlafen haben, wurde uns nicht warm. Auf der Plane unserer Jurte waren am Morgen die Eiskristalle zu bewundern. Aber es dauerte nicht lange, und unser Heizer vom Dienst erschien und fachte unseren Ofen an. Im Nu war es warm, doch wenn der Ofen ausging war es auch im Nu wieder kalt. Frühstück!  Oblaten mit Butter, Rührei mit Brot und Tee. Dann brachen wir mit beiden Jeeps nach Karakorum auf.

Zuerst ging es einigermaßen, aber dann wieder über Stock und Stein. Nach zwei Stunden die erste Pause. Tanken. Vor allem bei den Fahrern war der Tank leer. Ohne ihren Alkoholspiegel können sie ja auch nicht den Weg finden.

KarakorumUnd sie haben ihn gefunden. Um 12:oo Uhr waren wir am Ziel. Kloster Erdene Dsu. Das buddhistische Kloster ist für die Mongolei zu einem Symbol geworden. Seine Kultstätten erinnern die Mongolen an die leidvolle Geschichte ihres Glaubens, der in sieben Jahrzehnten kommunistischer Herrschaft beinahe ausgelöscht wurde. Allein 108 weiße Stupas, die Bethäuser der Buddhisten, befinden sich auf dem Klostergelände.

Daneben gibt es zahlreiche sehenswerte Altäre und Schätze.  Hier Besichtigung der Reste der alten Stadt Karakorum. Viel ist nicht erhalten geblieben. Nur ein paar Gesteinsbrocken und eine Steinerne Schildkröte. Wir hatten hier aber insofern Glück, als Kameraleute gerade dabei waren einen Film über das Leben Dschingis-Khan zu drehen.  Wilde Reiter zogen über den Platz, und man konnte sich vorstellen, wie diese bis weit nach Europa eindrangen.

Wir trauten aber unseren Augen nicht, als wir zurückkamen war an unserem Wagen ein Vorderrad ausgebaut. Das Radlager hatte sich heiß gelaufen. Aber nach einer Stunde hatten unsere beiden Fahrer die Sache wieder in Ordnung gebracht. Tula hat in der Zwischenzeit für unser leibliches Wohl gesorgt. In einer ehemaligen Bonzenvilla hat sie eine Suppe mit Nudeln, Kartoffeln, und Hammelfleisch bestellt. Dazu gab es Tee. Nach dem Essen noch eine kleine Pause und dann zurück nach Khujirt. Aber wieder mit mehreren Unterbrechungen. Dann tauchte auch noch am Horizont ein Jeep mit Fahrer und zwei Franzosen auf. So eine Gelegenheit lässt man natürlich nicht aus. Man setzt sich dazu, denn das ist mongolisches Gesetz und trinkt eifrig mit. Und bei jedem Neuankömmling wird wieder die Flasche in die Runde geschickt. Aber um 19:oo Uhr waren wir wieder in Khujirt an unserem Abendbrottisch. Es gab kaltes Hammelfleisch mit Salat, Tee und eine Leibspeise der Mongolen, Teigtaschen mit Hammelhack. Eine äußerst fette Angelegenheit. Katharina hatte daran mehrere Tage zu knabbern. Bei Sonnenuntergang wurde wieder eine Flasche Wodka vernichtet. Mit neun Personen ist das ja auch leicht zu schaffen. Morgen werden wir dann durch die Gobi ins Gobi-Camp fahren.

9. September 1992

Heute hat uns Gamba verlassen um nach Ulan-Bator zurückzufahren. Wir sind jetzt nur noch acht Mann (sprich: Frau) Um 10:oo Uhr sollte es eigentlich losgehen, aber so genau nimmt man es hier nicht. Hier hat man noch Zeit. Was ist schon eine Stunde, ein Tag. Nichts, gemessen an den langen Wintertagen. Ein kleiner See mitten in der Wüste, mit Salzablagerungen am Ufer, lud uns zu unserer Mittagspause ein. Vom Camp bekamen wir ein paar Teigtaschen vom vorigen Abend, 2 gekochte Eier und Brot mit.

NomadenzelteNach Leerung einer Flasche Wodka zur Nachspülung nach dem fetten Essen, zogen wir weiter. Immer in südsüdöstlicher Richtung.

Plötzlich mitten in der Einöde zwei Nomadenzelte vor uns.
Bei den Fahrern ging ein zufriedenes Lächeln über ihr Gesicht. Wir hatten den Onkel von Miga nicht verfehlt. Na und von Weiterfahren keine Spur. Jetzt wurde erst einmal ein Begrüßungsschluck getrunken. Habe ich einmal geschrieben? Es war ein Trinken ohne Ende. Migas Cousin packte  eine Ziege bei den Hörnern und dann ein Messer in die Hand. Das Gesetz Dschingis Khans sagt, „beim Schlachten eines Tieres soll man ihm die Beine fesseln, den Bauch aufschlitzen und das Herz solange mit der Hand zusammendrücken, bis es stirbt; dann kann man sein Fleisch essen. Wer aber ein Tier nach Art der Mohammedaner schlachtet, den soll man selbst so schlachten“. Miga und Bataa haben sich an dieses Gesetz gehalten. Und wir tranken in der Zwischenzeit Airak, vergorene Stutenmilch mit ca. 6-7 % Alkohol und mongolischen Wodka. Er hat ungefähr 10 bis 12 % Alkohol, und wird lauwarm aus kleinen Schalen getrunken. Nach soviel Alkohol hatte ich auch keine Angst mehr auf einem mongolischen Pferd zu sitzen. Opas Enkel stellte mir seinen Gaul mit Sattel zur Verfügung. Aber er hielt sein Pferdchen doch am Zügel fest. Ich glaube, er hat mehr Angst um sein Pferd als um mich gehabt. Bei Katharina stellten sich jetzt die vom Vorabend angekündigten Magenbeschwerden ein. Zu einem gewissen Teil hatte sie es gut.

NomadenSie konnte jetzt bei jedem Angebot sagen, mein Magen rebelliert dagegen. Denn jetzt war die Ziege gekocht und das Beinfleisch lag in einer Schüssel am Boden, und jeder säbelte sich mit seinem Taschenmesser ein Stück ab so gut es ging. Dazwischen floss der Airak in kleinen Plastikschüsseln, aber in großen Mengen. Ich habe nur die Schüssel an die Lippen gesetzt und so getan als ob ich trinke. Es war zu viel. Dann kam die Delikatesse. Gekochte Eingeweide und Därme mit Blut gefüllt und als Blutwurst gegessen. Natürlich wurde mit den Fingern in die Schüssel gelangt. Ich muss gestehen, es war nicht leicht, diese Leckerei in gebührender Weise zu würdigen. Aber der Käse, der uns beim Empfang gereicht und beim ersten Bissen im Mund immer mehr wurde, war auch nicht das Wahre.

Wir Vier waren froh als Tula anfing unsere Zelte aufzubauen. Sie reichten auch gerade so für zwei Personen. Dann ging es wieder in die Jurte zum Opa. Von neuem wurde wieder Airak und mongolischer Wodka getrunken. Und als Abschluss 40%tiger richtiger Wodka. Werner war unsere einzige Rettung, er war der trinkfesteste unter uns und  musste so dementsprechende Mengen schlucken.  Seine letzten Worte an diesem Abend waren: Oi, Joi, Joi. Jetzt hatten wir die richtige Bett- sprich Zeltschwere.

10. September 1992

Die Pferde schnupperten schon an unserem Zelt und es war Zeit zum Aufstehen. Gewaschen wurde in der Tränke der Tiere und auch Zähne geputzt. Anschließend badeten sich die Spatzen darin. Opa ließ es sich nicht nehmen uns persönlich vom Zelt abzuholen und in die Jurte zu geleiten. Hier war schon alles zu unserem Frühstück vorbereitet. Ein Stück Brot mit Rahm und Zucker darauf und anschließend eine Ziegenfleischsuppe. Nun wollten wir eigentlich aufbrechen um zu unseren weiteren Zielen zu gelangen. Aber so einfach ist das hier nicht. Denn es müssen ja nun die Verabschiedungsfotos gemacht werden. Und bevor man sich da in Positur stellt, wird erst einmal die Festgarderobe angezogen. Und dann ging es ins Freie und die Fotoreporter (Werner und Irene) konnten ihr Werk beginnen. Nach tausend Verabschiedungen war es dann fast 12:oo Uhr.

Gobi-KampAber 10 KM weiter, hatte Miga noch einen Onkel. Und wehe, wenn wir da nicht eingekehrt wären. Also die Zeremonie mit Airak und Wodka ging von vorne los. Aber dann hatten wir uns auch von hier losreißen können, und unsere Fahrt zum Gobi-Camp konnte ihre Fortsetzung nehmen.

Doch wir hatten nicht bemerkt, dass Bataa einen 2 Literkanister mit mongolischem Wodka vom Onkel bekam. Und der wurde uns fast zum Verhängnis. Tula übernahm das Steuer, sie hat zwar keinen Führerschein, aber wer schaut hier schon danach, Verkehrsregeln gibt es in der Wüste ohnehin nicht, Verkehrspolizisten sahen wir auch nicht, und Bataa übernahm seinen Wodka. Er wurde immer fröhlicher. Wir waren Papa und Mama und die besten Touristen, die er jemals in seinem Jeep hatte. Als er so richtig high war, bugsierte uns Tula so mit 50 Stundenkilometer einen kleinen Absatz von ca. 50 cm hinab. Der Wagen stand, der Motor stand, und Bataa war sofort wieder nüchtern. Uns flogen die Gepäckstücke um die Ohren, und wir gegen das Dachgestänge. Wir dachten der Wagen wäre im Eimer. Aber ein russischer Jeep hält eben etwas aus. Bataa übernahm wieder das Steuer, und wir fanden unterwegs ein verfallenes Kloster, einen Wüstenwald und die Fundstelle der Dinosaurierausgrabungen trotz Alkohol. Um 20:oo Uhr erreichten wir das Gobi-Camp. Wieder wurde uns eine Jurte zugeteilt und um 21:oo Uhr gab es Abendbrot. Viel hatten wir heute ja auch nicht gegessen. Das letzte war die „Zickensuppe“ beim Opa. Dafür aber jetzt Brot mit Gemüseaufstrich, gekochtes Hammelfleisch mit Kartoffeln und Reis. Dazu leisteten wir uns wieder einmal ein Bier. Gegen Dollar natürlich. Das ist hier die zweite Währung, genau wie in Russland. Nur, dass wir in Russland auch noch DM eintauschen konnten. Das Camp hier, war schöner angelegt als in Khujirt. Das letzte Mal habe ich heute um 23:26 Uhr auf die Uhr geschaut.

11. September 1992

Nach dem Frühstück war mit Bataa ein Ausflug in die Sanddünen angesagt. Wir kamen aber nie an. Nach ca. 30 KM Fahrt blieben wir erst einmal stecken und dann hauchte die Benzinpumpe ihren Geist aus. Wir standen mitten in der Wüste und so weit das Auge reichte, kein Baum, kein Strauch, nur Gegend.

Wüste in der MongoleiLediglich einige Fatamorganas täuschten unseren Blick. Es war das erste Mal, dass wir so etwas sahen. Man meinte in der Ferne Wälder und Seen zu sehen, aber nichts. Nun ging das Reparieren los. Bataa holte sein Werkzeug heraus, Irene ihren Fotoapparat, Katharina ihr Fernglas, ich meine Kamera und Werner musste Bataa helfen. Werner zischte nach 2 Stunden nur durch die Zähne, das wird nichts. Nach 3 Stunden hatte Bataa eine Idee. Er holte einen alten Benzinschlauch mit Blasebalg aus seinem Werkzeugkasten, nahm einen 20-Literkanister mit Benzin auf den Schoß, schloss das eine Schlauchende mit Draht an den Vergaser an, das andere steckte er in den Kanister, langte mit der Hand durch das Seitenfenster und pumpte, während Werner versuchte den Wagen vorwärts zu bringen. Wir im Fond leisteten unseren Beitrag mit den Anfeuerungsrufen:   „Pump, pump, Baata“.Es klappte. Kilometer um Kilometer schlichen wir zu unserem Camp zurück. Bataa musste des Öfteren eine Pause einlegen, denn sein Arm war durch das Rumpeln des Wagens schon mit roten Striemen unterlaufen. Um 13:oo Uhr sollten wir im Camp sein. Es war nach 16:oo Uhr als wir dort anlangten. Tula und Miga hatten uns schon gesucht, aber das war ein Unterfangen, wie die Nadel im Heuhaufen suchen. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, als sie uns sah.

GobiUnser Mittaghunger war uns vergangen, aber es nutzte nichts, wir mussten etwas essen. Reis, Bratkartoffeln mit Fleisch und Birnensaft  erwartete uns. Dann fuhren wir noch einmal los, jetzt mit Miga und Tula in die Ausläufer des Altai-Gebirges.

Für eine gute Stunde durchstreiften wir das Tal der Bartgeier. Widder, Pfeifhasen, Wildpferde und auch einen kreisenden Geier haben wir dort entdecken können. Wir wollten gar nicht zurück. Immer weiter  wollten wir Vier in das Tal, aber unsere Zeit war schon längst überschritten und Tula wartete schon auf uns. Es war unser letzter Tag in der Gobi.

Nach dem Abendessen, gefüllte Teigtaschen mit Hammelmett, trafen wir uns in der Jurte von Tula und feierten Abschied von der Gobi. Bataa, Miga, Bold und wir Vier. Zwei Flaschen Wodka mussten noch am letzten Abend dran glauben. Um 24: 00 Uhr zogen wir fröhlich in unsere Jurte, obwohl wir dazu gar keinen Grund hatten. Es stand nämlich noch nicht fest, ob wir am nächsten Morgen mit dem Flugzeug nach Ulan-Bator mitkämen. Wir werden sehen ob es etwas genutzt hat, dass wir den zuständigen „Flughafenkomandanten“ mit in unsere fröhliche Runde einbezogen haben. Er verließ jedenfalls im Gleitflug die Jurte von Tula.

Altai-Gebirges

12. September 1992

Um  6:00 Uhr war Wecken. Ein herrlicher Sonnenaufgang zeichnete sich am Horizont ab. Aber die Zeit drängte. Um 8:oo Uhr sollte es zum 40 Kilometer entfernten Flughafen nach Dalan-Dsadagad gehen. Auf Verdacht sozusagen. Als wir dort ankamen, trauten wir unseren Augen nicht. Er war wie ein Feldflughafen, und die Passagiere und die sie begleitenden Personen rannten auf dem Rollfeld hin und her, um einen Platz im Flugzeug zu erwischen. Dank Bold, dessen Vetter bei der Mongolian Airline Flugkapitän ist, haben wir nach langem Hin und Her einen Platz bekommen. 56 Plätze waren vorhanden, so überflog ich schnell die Sitzreihen, aber mindestens 70 Personen waren im Flugzeug. Also, wer nicht eingecheckt war, flog wieder raus und nicht nach Ulan-Bator.

Mongolei Wüste GobiNatürlich ging das nicht so ganz glimpflich ab. Endlich auf unserem Platz gelandet, wurde die Kabinentür geschlossen und wir harrten der Dinge die da kommen sollten. Es gibt keinen Flugplan. Wenn du Glück hast kommt eine Maschine aus Ulan-Bator, und du kannst mit ihr zurückfliegen, oder aber es kommt tagelang keine, dann hast du eben Pech gehabt. Hier hast du Zeit und kannst warten.  Wir warteten. Eine Stunde, zwei Stunden, noch immer rührte sich nichts. Man hörte nur ein Hämmern und wir wussten, es wird repariert. Die Frachtladeluke schloss nicht und die Batterie zum Starten war auch leer. Aber dann begannen sich die Propeller zu drehen und ich lauschte aufmerksam dem Klang der beiden Motoren. Es war eine alte Antonow. Anschnallen war nicht, wozu auch. Stewardess gab es auch keine. Werner, Tula und Bold saßen im Raum hinter den Piloten auf dem Boden. Aber wir waren alle in der Maschine, und das war die Hauptsache. Der alte Vogel holperte über die Sandpiste und schon waren wir in der Luft. Das war für Bataa und Miga das Zeichen, dass sie sich jetzt mit ihren Jeeps auf die lange Reise quer durch die Gobi machen konnten. 17 Stunden Fahrt hatten sie jetzt vor sich. Aber wie ich die beiden kenne, sicher mit Rast und Gelage beim „Opa“. Der Flug hat uns entschädigt. Einmalig schön war der Blick auf wie Wüste.

Ab und zu sah man eine kleine Karawane durch den Sand ziehen, oder eine Jurte in einem Tal liegen. Um 14:oo Uhr landeten wir in Ulan-Bator und unser Reisebus für ca. 45 Personen stand schon am Flughafen, um uns sechs Reisende abzuholen. Unser Hotel „Bayangol“ diente uns wieder als Übernachtungsstätte bis zum nächsten Tag, an dem wir zurück über Moskau nach Berlin flogen. Im Hotel hatten wir die Wahl, erst duschen oder erst schlafen. Der Stromausfall hat uns die Entscheidung abgenommen. Also erst schlafen, dann duschen und dann zum Abendbrot. Eiersalat mit Brot, Suppe, Pommes frites mit Hammelfleisch. Wir kamen uns vor, wie in „1001 Nacht“. Tula und Bold kamen abends zum Hotel, um sich von uns zu verabschieden. Es war der letzte Abend mit ihnen. Mit Bier und Wodka beschlossen wir unser Abenteuer. Fremde lernten wir auf dieser Reise kennen, Freunde haben wir zurück gelassen.

13. September 1992

Um 5:45 Uhr klingelte der Wecker.  6:3o Uhr Frühstück. Um 7:oo Uhr stand unser Bus vor der Tür. Nun waren wir nur noch 5 Personen. Gamba, der uns in Ulan-Bator erwartete, flog mit uns zurück nach Berlin. Nach langwierigen Zollerklärungen ( man will ja wissen, was wir ausführen – wir hätten auch „alles Sch….“aufschreiben können, denn lesen konnten sie es ohnehin nicht ) hatten wir endlich unsere Eincheckung. Wir flogen mit der Mongolian Airlines, mit Zwischenlandung in Irkutsk, nach Moskau.

In Moskau verabschiedeten wir uns von Werner und Irene, mit dem Versprechen uns wiederzusehen. Zwei neue Freunde haben wir kennen gelernt. Nun waren wir nur noch drei. Irene und Werner flogen von Moskau direkt nach München. Um 15:2o Uhr starte die Aeroflot nach Tegel, und um 15:5o Uhr landeten wir dort pünktlich. In Ulan-Bator auf dem Flughafen trafen wir noch einen deutschen Geschäftsfreund, der mit viel Hallo begrüßt wurde. In Berlin nun auch Abschied von Gamba, der uns während der ganzen Reise begleitet hat. Danke auch ihm. Wir bekamen jetzt alle Stunden, die er uns bei der Hinreise genommen hat, an einem Tag zurück.  Dieser, der letzte Tag unseres Abenteuers, hatte 23 Stunden ohne Schlaf. Wir, Katharina und ich, sind nun wieder zu Haus und nur noch zu zweit, so wie wir unsere Reise begannen.

Ich aber bin jetzt müde!!!!